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Eine Kaufberatung und worauf Sie beim Ro 80 achten sollten

Beitrag von Ronald Werner, Frankfurt/M, Mai 2005

Der NSU RO 80 erschien als erste Kreiskolbenmotor-Limousine der Welt im September 1967 auf der IAA in Frankfurt. Sofort erregte dieser "große" NSU immenses Aufsehen, weil sich zum Zweischeiben-Wankelmotor auch noch eine futuristische Karosserie gesellte. Der als drehfreudig und vibrationsarm gepriesene Motor entsprach allerdings zunächst nur bedingt den hohen Erwartungen, denn konventionelle Doppppelz&ündl;ung und verschleissfreudige Unterbrecherkontakte und Dichtleisten führten zu häufigen Werkstattbesuchen. Die Konkurrenz brachte schnell das Märchen vom "RO 80-Gruss" in Umlauf, das heute noch an Stammtischen bei der Erwähnung des Wortes Wankelmotor aus dem Munde allwissender Halblaien gelegentlich zu hören ist, und dessen einzige Begründung darin lag, dass das Werk anfangs Motorprobleme sehr kulant mit einem Austauschmotor regelte.

Iim August 1969 kam eine HKZ-Thyristor Zündanlage zum Einbau, die auch mit nur einer Kerze pro Scheibe auskam, und man versuchte, den Dichtungs- und damit Kompressionsproblemen mit neuen Dichtleisten aus Ferrotic statt bisher IKA-Material entgegen zu wirken. Dadurch wurde das Auto sehr zuverlässig und die bisherigen Reklamationen gehörten der Vergangenheit an. Gleichzeitig wurden H4 Leuchteinheiten eingeführt und damit wurde auch der Kühlergrill steiler angeordnet. In den Folgejahren änderte sich äusserlich nicht mehr viel. Nur ab Modell 1976 erhielt der RO 80 große Heckleuchten und Gummileisten auf den Stossfängern. Die Einrohrauspuffanlage gab es bereits ab April 1972.

Der NSU RO 80 galt als "intellektuelles Konzept" und sicherte ihm vor allem unter den Selbstständigen und Akademikern einen Freundeskreis, nie aber genug Anhänger, um die Produktion rentabel zu machen. Zu seinen besten Zeiten wurden jährlich knapp 8000 Autos hergestellt (1969), der Durchschnitt lag aber bei knapp 4000 Fahrzeugen pro Jahr. 1977 fanden noch ganze 382 Wankel-Limousinen einen Käufer, bis der letzte RO 80 im August 1977 direkt vom Band ins Deutsche Museum rollte.

Mit 37.402 Exemplaren in rund 10 Produktionsjahren ist der Wankel-Wagen stets ein Aussenseiter geblieben und glorreicher Repräsentant einer völlig neuen Stilrichtung mit höchstem technischen Anspruch, der bis heute vergleichsweise unerreicht ist.

Die typischen Schwachstellen des RO 80

Die Karosserie

Jeder NSU RO 80, der heute noch angeboten wird, ist mindestens 25 Jahre alt oder auch 35. In der Regel hat die Korrosion in diesen langen Jahren viel Zeit gehabt, sichtbare Spuren zu hinterlassen. Daher sind die meisten heute noch existierenden Exemplare irgendwann schon restauriert worden, wenn sie nicht in irgendeiner Scheune vergessen wurden. Wenn also die Liste der aufgeführten Mängel lang ist, muss trotzdem nicht davon ausgegangen werden, dass der RO 80 immer eine Rostlaube darstellt. Wenn der Rost aber erst einmal zugepackt hat, ist die Baustelle in der Regel gross.

Beginnen Sie mit einer Aussenbesichtigung an den Vorderkotflügeln: der Bereich hinter dem Rad zur Tür hin muss unten, da wo die Zierleiste sitzt, ohne sichtbaren Rost sein, sonst kommt das Problem von innen: gerne sind die Gitter unterhalb des Scheibenwischermotors verrottet, Schutz, Staub und Blätter fallen hinein und bilden am erwähnten Kotflügelende einen fatalen nassen Sack, der nur durch totale Demontage beseitigt werden kann. Hier zeigt sich der Nachteil der ansonsten vorteilhaften Innenkotflügel, die auch verhindern, dass kleine Dellen einfach von innen herausgedrückt werden können.

Vor dem Vorderrad bilden sich am vorderen Ende der Bodenwanne gerne Rostnester, die wegen der Doppelwandigkeit des Bleches schwer zu bekämpfen sind. Auch die unter dem Kühler befindliche Verstärkung in der Schürze unterliegt den gleichen Leiden. Einmal auf den Knien, können die Reflektoren der Nebellampen geprüft werden, die der Hauptscheinwerfer sind dagegen sehr langlebig.

Rost am Radlauf vorn ist durch die Feuchtigkeit über dem Innenkotflügel bedingt und von außen nicht zu entfernen. Öffnen Sie nun die Türen und prüfen Sie den Längsschweller, der mit Eloxalblenden abgedeckt ist.. Durch die Befestigungsklammern der darunter liegenden Gummileiste tritt oft Wasser in den Hohlraum. Hinten, wo der Kotflügel zwischen Türausschnitt und Rad am Schweller anliegt, ist ein Rostnest, weil das Werk den Wasserablaufschlauch aus dem Bereich des hinteren Dreieckfensters und des Schiebedaches im Kotflügel enden ließ, im Bereich der kurzen Zierleiste darf also auch hier nichts zu sehen sein.

Achtung: viele ROs sind durch GFK-Materialien unsachgemäss geschönt. Das gilt auch für o. g. Stelle am Vorderkotflügel oder den nachstehenden Details. Mein Rat: nehmen Sie einen Magneten zur Fahrzeugbesichtigung mit.

Die Radläufe hinten verrotten meist durch Feuchtigkeit, die von einer undichten Heckscheibe kommt und sich über der Stoßkante Innenkotflügel/Aussenhaut sammelt. Die Stelle ist weder vom Kofferraum, noch von aussen richtig zu erreichen, es bleibt nur der teure Schritt zur Demontage. Leider gab und gibt es hier keine Reparaturbleche, das macht die Angelegenheit recht schwierig. Ein wichtiger Tip: undichte Heckscheiben, ein häufiger Mangel, erkennt man sofort am geschrumpften, fleckigen Kaliko-Belag der Hutablage. Ein genauer Blick durch Heckscheibe ist also bares Geld wert. Zweites Indiz für eine undichte Scheibe ist Wasser in der Reserveradmulde, was aber bei den Modellen ab 1976 auch durch spröden Kitt an den Heckleuchten hervorgerufen sein kann. Nehmen Sie auf jeden Fall den Teppich hoch und das Reserverad heraus, selbst bei trockener Mulde erkennt man häufig gebadete Reservereifen an den Rostspüren im Profil. Entfernt man Bodenteppich und Bitumenpappe, sieht man auf den Kofferraumboden: bauartbedingt rostet die Halterung des Nachschalldämpfers nach oben in den Kofferraumboden hinein, weil NSU zur Verstärkung des Kofferraumbodens ein 2mm-Blech einzog und das untere, dünne, zuerst wegrostet. Kofferraumecken unten, Heckverstärkung und Radhäuser verraten Unfallschäden und sind rostverdächtig, sie sollten zusammen mit den Stoßdämpferdomen inspiziert werden. Durch fehlenden Korrosionsschutz sammelt sich über den Schraubenfedern der Federbeine der Schmutz, Rostpartikel sind Alarmzeichen, die auf Korrosion tragender Teile im nächsten TÜV-Bericht schliessen lassen.

Die Türen des RO 80 sind ein besonderes Kapitel, denn NSU montierte bei allen Modellen innen eine Bitumenpappe mit Schaumauflage, die ein billiges Schließgeräusch und klappernde Fensterheber verhindern sollte. Jeder RO hat diesen „Schwamm“ in allen Türen, die Folge sind starke Rostschäden im Bereich der Zierleiste und an der Unterkante, die aus Schönheitsgründen ab Werk mit Unterbodenschutz gespritzt wurde. Schlimmer sind die Oberkanten der Türen dran: von innen ungeschützt, mit doppelten Blechprofil versehen, von den Klammern der Zierleisten gepeinigt, tritt Rost auf, der fast nicht mehr sinnvoll bekämpft werden kann. Auch um die Türgriffe herum tritt der "Gilb" auf, was auf lockere Befestigungsschrauben zurückzuführen ist.

Die Unterseite

Da ist zunächst der Längsträger vorn, der um den Durchgang der Achswelle wegen mangelhafter Versiegelung und unglücklich liegender Abflussbohrungen sehr anfällig ist. Außerdem liegt das Wasser-Abweisblech nicht bündig an, was die Sache noch kompliziert. Das Längsträger-Unterteil rostet auch im Bereich der Spritzwand, überwiegend bei den 74er Modellen, weil irgend ein heller Kopf die Entlüftungen ab Werk mit Gummistopfen schliessen ließ, eine “Verschlimmbesserung“, die ab 75 wieder entfernt wurde. Autos aus dem Jahr 1974 mit Rost an dieser Stelle sind nur noch als Schrott und Teileträger zu gebrauchen, es sei denn, Sie wollen einen Neuaufbau vornehmen.

Im Bereich der vorderen Türen treten Durchrostungen des Fahrzeugbodens auf, die schwer zu erkennen sind, weil sich der Unterbodenschutz noch darüber spannt. Deshalb: klopfen und unter die Fußmatten schauen, denn kaum ein Besitzer lässt Interessenten mit dem Schraubendreher am Blech herumstochern. Achten Sie auch auf die Messpunkte für Richtbank-Arbeiten an Fahrzeugen ab Baujahr 1970. Zu gern haben selbst die Werkstätten die Bezugspunkte für Wagenheberaufnahmen gehalten und den Wagenboden beim Hochheben statt des Längsträgers missbraucht. Resultat: der Boden gibt nach innen nach, der Schutz reisst ein, und ein vor Jahren gemachter Fehler wird dann offenbar.

Autos mit Einrohr-Auspuffanlage haben oft Durchrostungen oberhalb des Vorschalldämpfers, weil die hohen Temperaturen den Unterbodenschutz weggebrannt haben. Die Stelle liegt in Höhe der Rücksitzbank und ist nach Hochheben der Fondsitze auch von innen zu sehen.

Schließlich korrodiert auch das Wasser-Abscheideblech der hinteren Bremstrommeln (Handbremse) gern, der Auflagepunkt der Ankerplatte verzieht sich und die Bremse schleift die Trommel schief aus.

Motor und Mechanik

Das Kapitel mechanische Schwachstellen ist wider Erwarten erfreulich kurz. Motordiagnosen am RO 80 sind schwierig, obwohl Kompressionsdiagramme gefertigt werden können. Am Motor geht au�er den Dichtleisten fast nichts kaputt, und die können Sie mit folgendem Trick selbst einschätzen: Lassen Sie den betriebswarmen Motor im Leerlauf drehen und merken Sie sich die Tourenzahl. Legen Sie nun einen Gang ein und beobachten Sie beim Loslassen des Kontaktes der Selektivautomatik im Schalthebelknopf den Drehzahlmesser: beim Eingreifen des Wandlers darf die Drehzahldifferenz zum Leerlauf nicht höher als 250 bis 300 U/min sein, sonst ist Leistungsverlust durch unterschiedliche Druckverluste zu befürchten. In diesem Fall gibt es eine Reihe von unliebsamen Folgen: Startschwierigkeiten, höherer Benzinverbrauch, häufigeres Verrußen der Zündkerzen, Motorabsterben beim Einparken.

Geringes “Blauen“ nach dem Start ist ebenfalls typisch: an den Wangen der Läufer tritt Öl in den Brennraum, das nach dem Start verbrennt. Der NSU RO 80 ist auf einen Ölverbrauch von 1 bis 1,3 l auf 1000 km ausgelegt, dafür gibt es eine Frischöldosierung, was zuerst zu langen Ölwechselintervallen und später zum völligen Wegfall des Ölwechsels führte.

Die Achswellen vorn sind, ähnlich wie bei allen Fronttrieblern, manchmal ausgeschlagen, Gelenkknarren bei Kurvenfahrten ist das Zeichen dafür. Solange die Gelenkmanschetten intakt sind, genießen die Gelenkwellen beim RO ein sehr langes Leben.

Das Federbein-Kopflager gibt wegen mangelhafter Schmierung ab Mod. 72 Probleme auf , hier ist Knacken beim Lenken im Stand (Einparken) das Indiz. Die Servolenkung der Baujahre 76 und 77 gibt manchmal Anlass zu instabilen Geradeauslauf. Dann ist die Zahnstange im Bereich des Geradeauslaufs verschlissen, da nur oberflächengehärtet. Die Zahnstangen der Vorgänger waren durchgehärtet und damit dauerhafter.

Der RO 80-Kühler liegt so exponiert, dass er häufig unten angefault ist. Kühler sind aber durch viele Spezialunternehmen erhältlich, während die Versorgung mit anderen Ersatzteilen durch VAG/VW nicht mehr stattfindet. Hier haben viele Clubs zur Selbsthilfe gegriffen, indem viele Teile von vorhandenen Fahrzeugen aufgehoben wurden.

Einen brauchbaren RO 80 kann man heute ab 3000.- Euro erwerben.� Restaurierte Exemplare sind wegen des hohen Aufwandes teuer, m�ssen dann aber auch einwandfrei sein. Gute originale NSU RO 80-Fahrzeuge kosten zwischen 5.000 und 11.000 Euro. Begehrt sind Fahrzeuge von 1967 bis 69, denn sie gelten als besonders original und als �NSU-Fahrzeuge�. Kenner m�gen aber gerade die mittleren Fahrzeuge von 1973 bis 74, denn sie waren besonders ausgewogen und zuverl�ssig. Ebenso gibt es Fans f�r die letzten Baujahre ab Mod. 76, die stilistische Ver�nderungen aufweisen.

Vorsicht: ab Ende 75 (Zulassung) leiden viele Fahrzeuge unter starkem Rostbefall durch den hohen Kupferanteil der verwendeten Stahlbleche. Die Stahlkrise zwang damals zur schnellen Verwendung von Schrottwagen, die mitsamt Kabelb�umen eingeschmolzen wurden.

Obwohl der RO 80 ein absoluter Meilenstein im Automobilbau ist, wird er oft relativ niedrig eingesch�tzt. Die Sch�tzpreise in Euro lauten heute wie folgt:

Zustand                 1              2              3              4                  5

 

Mod. 67/69��������� 14.000������ 8.200������� 4.300��������� 1.900������������� 750

Mod. 70/77��������� 13.200������ 7.400������� 3.900��������� 1.800������������� 750

 

Wer eine reizvolle Arbeit und eine vertr�gliche Investition nicht scheut, erwirbt mit dem NSU RO 80 heute einen Klassiker der Superlative unter den vielen Limousinen der letzten 100 Jahre. Beim NSU RO 80 treffen sich bahnbrechende Designerwelten und eine atemberaubende Technik bei Motor, Antrieb, Bremsen und Fahrwerk. Beim RO 80 hei�t die Devise:

�berlegen Fahren mit Genuss und Ruhe, entspannt ankommen.

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